„Ein Huhn mussten wir aus der Tanne holen“

Donnerstag Mittag, Aktion Lichtblick ist unterwegs in Pratzschwitz. Weit ab vom Schuß, zwei einzelne Häuser. Eines ist verlassen. Hier hatte man Glück im Unglück. Ausgezogen – kurz vor der Flut. Doch nebenan Familie Snaga hat die Flut voll getroffen. Drei Generationen der Familie wohnen in dem Haus. Sie sitzen auf dem verwüsteten Hof. Man pausiert. Jahrelange Arbeit ist vernichtet. Die Mitarbeiter der Aktion Lichtblick sind die ersten, die hier her gefunden haben. Mit einer kleinen Durchhaltehilfe zaubert man Lächeln auf die Gesichter. „Um Ihnen Kraft zu geben, all das durchzustehen.“ Man darf den Mut und die Kraft ja nicht verlieren. Viel Arbeit steht ihnen allen noch bevor.

„So schön sah es hier einmal aus“, erzählt Rentnerin Magarete Snaga und zeigt auf ein Bild, das jetzt wieder an der Wand hängt. Es erinnert an bessere Tage. Neben dem Wohnhaus steht jetzt nur noch das Gewächshaus. Alles andere hat das Wasser weggerissen. Die Garage, die Ställe, der Küchenanbau – von den einstmals sechs Gebäuden auf dem Grundstück stehen noch zwei. Der Gartenteich ist verschwunden, der kleine Swimmingpool verwüstet. Vom Garten gar nicht zu reden.

„Unsere beiden Schweine sind ertrunken. Obwohl der Stall etwas höher lag. von den 60 Hühnern sind noch vier da.“ Bevor sie selbst gerettet wurde hatte Familie Snaga die Hühner extra zum Nachbarn in die Scheune gebracht. Auch das half nichts. „Wer konnte denn ahnen, dass das Wasser so hoch kommt“, fragt Magarete Snaga. Wie durch ein Wunder lebten in der Scheune als sie zurück kamen noch drei Hühner. „Ein Huhn mussten wir aus der Tanne holen. Das ist aber immer noch krank.“ Schäferhund Rex, den sie erst als Wache zurückgelassen hatten, hat der BGS rausgeholt. „Da stand das Wasser schon im ersten Stock“, erinnert sich Sohn Andreas.

Mit den Aufräumarbeiten kommt das Rentnerehepaar schon ganz gut voran. „Unser Sohn ist zwar zu Hause, aber helfen kann er uns nicht wirklich. Er hat seit einem Unfall Probleme mit der Wirbelsäule“, erzählt sie. „Ich habe starke Schmerzen“, berichtet Sohn Andreas Snaga. „Schon vor dem Hochwasser haben Experten mich krank geschrieben. Als nach der Flut mein Chef hier war, hat er mich gefeuert – ich sei ein Simulant.“ Einen Anwalt hat er sich schon genommen. „Das geht jetzt vors Arbeitsgericht.“

Dann führt Magarete Snaga durchs Haus. Das Erdgeschoss ist beräumt. „Wir sind hier Hochwasser ja gewohnt, aber sowas gab es noch nie.“ Im ersten Stock war das Reich der Eltern. Nichts davon ist geblieben. Im Schlafzimmer hängt noch die Lampe, der Rest ist der nackte Stein. Den Putz haben sie schon abgeklopft, jetzt muss alles trocknen. „Bis hierher stand das Wasser“, zeigt Andreas Snaga an der Treppe. Bis knapp unter die Decke. Und das im 1. Stock.

Die Familie hält zusammen. Es muß ja weiter gehen. Der Sohn hat mit seiner Frau Qui und der kleinen Tochter Juliana die Wohnung im 2. Stock für die Eltern frei gemacht. Sie haben Quartier auf dem Dachboden genommen. Nur ein kleines Zimmer gibt es da für die drei. Direkt unter den Dachziegeln. „Wir müssen das alles hier wieder aufbauen“, erzählt Magarete Snaga, „aber das schaffen wir zusammen schon.“

Dieser Beitrag wurde unter Pirna, Sächsische Zeitung online veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.