Mit Rutschgefahr ins Gebührenjahr

Dem alten chinesischen Brauch, die bösen Geister des Vorjahres mit knallender, farbenfroher Pyrotechnik zu vertreiben, sind wieder Millionen zum Opfer gefallen.

Leider ließ sich davon die deutschlandweite Tendenz zum Bezahlstudium weder beeindrucken noch verjagen. Gang im Gegenteil: Aus dem bisher nur drohenden Gespenst wird in diesem Jahr Realität. In Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfahlen müssen ab dem Wintersemester 2006/07 neu immatrikulierte Studenten pro Semester 500 Euro Studiengebühren zahlen. Ab dem Sommersemester 2007 werden dann alle Studierende in den drei Ländern und auch die Baden-Württembergs und Bayerns zur Kasse gebeten. Die Saarländer werden zum Wintersemester 2007/08 folgen.

Die zur Durchsetzung der Pläne notwendigen Gesetze sind in Niedersachsen und Baden-Württemberg bereits im Dezember durch die Landtage verabschiedet worden. In Hamburg, Bayern und Nordrhein-Westfahlen sollen entsprechende Entwürfe in den nächsten Monaten die Gremien passieren. Kritik an den Gesetzentwürfen kommt vom Präsidenten des Deutschen Studentenwerks (DSW), Hans-Dieter Rinkens. Die vom Bundesverfassungsgericht an die Einführung von Studiengebühren gemachten sozialpolitischen Auflagen – Gewährung gleicher Bildungschancen, Verhinderung von Mobilitätshemmnissen und Berücksichtigung der Belange einkommensschwacher Bevölkerungsschichten – sieht Rinkens nicht erfüllt. „Vor allem nicht, solange die tatsächliche finanzielle Situation der Studierenden nicht berücksichtigt wird. Studierende, deren Budget unter dem gesetzlichen Mindestbedarf von 640 Euro im Monat liegt, sollten von Studiengebühren freigestellt werden“, so Rinkens. Nach der aktuellen Sozialerhebung des DSW wären das mehr als ein Viertel der rund zwei Millionen Studenten in Deutschland.

Auch die Hochschulrektorenkonferenz und ein Rechtsgutachten im Auftrag des „Aktionsbündnis gegen Studiengebühren“ (ABS) melden erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität an. „Wenn die Gesetzentwürfe nicht zurückgezogen werden, werden wir das Land mit einer Klagewelle überziehen“, so ABS-Geschäftsführer Amin Benaissa.

Damit dürfte sich bewahrheiten, was der Vorsitzende des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichts Winfried Hassemer bereits in der Verhandlung um das Studiengebührenverbot angedeutet hat – schon bald werden Gerichte sich wieder mit der Verfassungskonformität der konkreten Entwürfe auseinandersetzen müssen.

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