Der Kanzler besucht einen Geschädigten

Kanzlerbesuch. Der mächtigste Mann des Landes in Dresden. Und er will dem Haus der Presse einen Besuch abstatten. Na, das wird ein Termin werden. Sicherlich überall ein Gewusel von Zivilpolizisten, nervösen Wachschutzmitarbeitern am Tor, niemand darf durch.

Doch nichts dergleichen. Noch wenige Minuten vor Ankunft des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) und Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) am frühen Dienstagnachmittag herrscht vollkommene Gelassenheit. Bauarbeiter gehen den Aufräumarbeiten im vom Hochwasser verwüsteten Gebäude nach. Mitarbeiter genießen das Essen in der provisorisch wieder hergestellten Kantine. Nur die Damen am Tor sind nervös: „Hier kommt nachher niemand mehr hinein, das wird nur so von Polizisten wimmeln!“

Dann kommt die als riesig angekündigte Kolonne des Kanzlers. Bestehend aus vier Fahrzeugen. Und die beiden Herren aus dem einzigen grün-weißen Polizeiauto steigen nicht einmal mit aus. Obwohl er nur wenig Zeit hat, begrüßt der Kanzler auch die beiden Damen von der Sicherheit persönlich. Mit SZ-Chefredakteur Hans Eggert nehmen die Politiker die Schäden in Augenschein. Auch im Haus der Presse ein bislang nur geschätzter Millionenschaden. Schröder einmal Treppe runter in den Keller – der Fahrstuhl geht erst am Freitag wieder – und dann muss er auch schon weiter. Das Protokoll einzuhalten, ist Pflicht. Es geht zur Pressekonferenz in die dritte Etage des Dresdner Druck- und Verlagshauses. In den Konferenzraum, wo sonst ein Dutzend Redakteure über das Blatt des nächsten Tages diskutieren, passt niemand mehr herein. Alle wollen hören, was Schröder zu sagen hat. Eggert hat sogar ein kleines Geschenk für den Kanzler, eine Zeitung. Was auch sonst. Dies ist jedoch eine ganz besondere: die Notausgabe vom 14. August. Ob die im Kanzleramt wohl einen Ehrenplatz bekommt?

Nun folgen die Fragen der Journalisten. Nur 20 Minuten Zeit, dann muss der Kanzler nach Frankfurt/Main. „Was ist denn jetzt mit dem geplanten Ausbau der Elbe für 100 Mio Euro?“ Das werde der Verkehrsminister prüfen. Weiter. Welchen Beitrag er sich von den Banken erhoffe. Ganz klar Solidaritätsleistungen, meint Schröder. Schließlich würden sie an den Krediten gewinnen. Spender würden ja auch nicht nach dem „Warum“ fragen.

Auch zu einer allgemeinen Versicherungspflicht gegen Hochwasser äußerte sich der Kanzler: „Wir können ja nicht alles subventionieren. Ich finde es gut dass Herr Milbradt die Idee zur öffentlichen Debatte gestellt hat.“ Ob eine Umweltvorsorge für Tschechien geplant sei. Der fragende Journalistenkollege ist in Laubegast selber abgesoffen. In seinem Garten sei wahnsinnig viel Müll angeschwemmt worden. Schröders Antwort erheitert die Massen: „Da nicht auszuschließen ist, dass das hier öffentlich wird…“, beginnt er. Und dann: „Tschechien muss sich vor einem EU_Beitritt an die Unweltrichtlinien halten.“

Eggert ruft den nächsten Kollegen auf, dafällt ihm Schröder ins Wort: „Muss um drei los, ne?“ Schnell die letzten Fragen. Nach welchem Schema die Spenden verteilt würden. „Ganz objektiv läuft das nie ab. Doch wir prüfen, welche Gemeinden noch mehr Geld erhalten müssen.“ Milbradt ergänzt: „Wir vertrauen den Gemeinden und Bürgermeistern.“

Schon ist die Zeit um. Doch Schröder kann immer noch nicht weg. Fototermin im Eingangsbereich. „Wie? Wer hat das denn jetzt noch organisiert?“, beschwert sich der Kanzler. Aber für die Medien setzt er noch gern ein Lächeln auf…

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