Lange Finger und geheime Briefe

Daß man seine Geheimnummer niemals in der Nähe seiner EC-Karte aufbewahren sollte, hat sich mittlerweile hoffentlich überall herumgesprochen.

Verliert man seine Karte oder läuft sie ab, so bekommt man von seiner Bank zuerst eine neue Geheimnummer zugesandt. Wenige Tage später erhält man – sicherheitshalber in einem separaten Brief – die neue Karte. Dieses Verfahren hat sich offenbar ein Student in der Landeshauptstadt zu nutze gemacht.

Der 26jährige Bulgare wird beschuldigt über einen Zeitraum von zwei Jahren Geldkartenbriefe und die dazugehörigen Briefe mit den Geheimnummern aus Briefkästen in den Wohnheimen der Wundtstraße gestohlen zu haben. Anschließend, so Oberstaatsanwalt Andreas Feron, Pressesprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft, hob er mit den erbeuteten Karten und PINs Geld von den Konten seiner Kommilitonen ab. Fielen ihm nur die Karten in die Hände, so nutzte er sie um mit Phantasieunterschriften zu bezahlen.

Der Beschuldigte Boris P. suchte in den Briefkästen offenbar gezielt nach Bankbriefen, die an ausländische, vor allem chinesische, Studenten adressiert waren und fischte sie heraus. Insgesamt 151 Straftaten im Zusammenhang mit gestohlenen Geldkarten konnte die Polizei ihm bisher nachweisen. Zwischen Dezember 2002 und Februar 2004 erbeutete er auf diese Weise über 36000 Euro.

Die Ermittler kamen dem so genannten „Phantom der TU“ schließlich durch Überwachungsbilder aus Banken auf die Schliche. Im Februar konnten sie ihn dann an seinem bevorzugten Geldautomaten auf frischer Tat ertappen und verhaften. Seitdem sitz er in Untersuchungshaft und ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft in all den Fällen, die man ihm nachweisen kann, geständig. Kommt sein Fall vor Gericht, so drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Offenbar machten es die veralteten Briefkästen der unsanierten Dresdner Wohnheime nur allzu leicht, unbemerkt die richtigen Briefe zu finden und zu stehlen. Zwar werden die Briefkästen, wenn sie beschädigt werden, immer zeitnah wieder repariert, aber für den Ersatz ganzer Briefkastensysteme, so Karin Tzscherlich, Hauptabteilungsleiterin des Bereichs Wohnen des Studentenwerks, fehlt das Geld. Die werden nur im Rahmen der allgemeinen Sanierungsarbeiten erneuert. Eher verweist Karin Tzscherlich auf die Banken, die das System des Geldkartenversands ändern sollen.

Eine solche Bitte ist bei den meisten Banken der Landeshauptstadt seitens der Polizei auch eingegangen. Nur Folgen, so ergab eine Nachfrage, hat diese Bitte meist nicht gezeigt. Einzig die Stadtsparkasse hat den Versand von Geldkarten – allerdings nur für die Wohnheime in der Wundtstraße – eingestellt. Wer dort wohnt und eine neue Karte bekommt, muß sie von nun an wieder in der Filiale abholen. Die großen Privatbanken können nach eigenen Angaben auf Grund des zentralisierten Versandes ähnliche Maßnahmen nicht ergreifen.

Wer sicher gehen will, so die einhellige Aussage der Geldinstitute, sollte bei seiner Bank die Abholung neuer Karten in der Filiale beantragen. Ein Recht, sein Geld wieder zu bekommen hat man nämlich nur, wenn man seine Karte als gestohlen gemeldet hat, so Ramona Tilp von der Stadtsparkasse Dresden. Bemerkt man den Diebstahl, wie hier in den meisten Fällen geschehen, nicht und meldet ihn deshalb nicht, so sieht man sein Geld wahrscheinlich nie wieder.

Dieser Beitrag wurde unter Hochschulzeitung ad rem, Uni intern veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.